Was tun nach einem Behandlungsfehler?
Behandlungsfehler passieren. Selbst den besten und gewissenhaftesten Medizinerinnen und Medizinern unterläuft statistisch gesehen irgendwann im Laufe ihres Berufslebens ein Missgeschick, das weitreichende juristische und finanzielle Folgen nach sich ziehen kann. Und die Schadensentwicklung der letzten Jahre zeigt: Dieses Risiko steigt gleich in doppelter Hinsicht.
Inhalt
FALLBEISPIELE
1. Fallbeispiel: Lebertransplantation nach Pilzvergiftung
Frau Wald kommt mit Magenbeschwerden in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Sie klagt über Schmerzen im Unterbauch und erzählt, dass sie am Tag zuvor Pilze gesammelt und diese abends selbst zubereitet und gegessen habe. Die diensthabende Ärztin im Krankenhaus, Frau Dr. Müller, behandelt Frau Wald aufgrund der beschriebenen Schmerzen auf eine „normale Gastroenteritis“, also eine Magen-Darm-Grippe. Als die eigentliche Ursache für die Schmerzen, die Pilzvergiftung, bemerkt wird, ist die Leber der Patientin bereits komplett zerstört. Diese kann nur durch eine Lebertransplantation gerettet werden. Gegen den Krankenhausträger werden Schadensersatzforderungen in Höhe von 300.000 Euro gestellt. Regressforderung durch Krankenhausträger
Ergebnis: Der Krankenhausträger entschädigt die Schadensersatzforderungen zunächst. Da der Krankenhausträger das Haftpflichtrisiko der Angestellten nicht versichert und Frau Dr. Müller grob fahrlässig gehandelt hat, kann er sie jedoch nach den Regeln des „innerbetrieblichen Schadensausgleichs“ in Regress nehmen und die Schadensaufwendungen komplett zurückfordern.
2. Fallbeispiel: verkannter Herzinfarkt
Herr Flach stellt sich wegen starker, brennender Brustschmerzen und Atemnot bei seinem Hausarzt vor. Der angestellte Facharzt schreibt ein EKG und nimmt Blut ab. Danach verabreicht er ihm ein Schmerzmittel und schickt ihn mit einer Packung Ibuprofen 600 nach Hause. Am folgenden Tag fällt Herr Flach zu Hause plötzlich vornüber und kann vom herbeigerufenen Notarzt nicht mehr reanimiert werden. Behandlungsfehler mit finanziellen Folgen
Die Angehörigen stellen aufgrund eines Behandlungsfehlers Schadensersatzforderungen in Höhe von 150.000 Euro zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche gegen den niedergelassenen und den angestellten Arzt. Die anschließende Obduktion bestätigt, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ein akutes Koronarsyndrom bestanden hat, das eine kontinuierliche Monitorüberwachung und eine sofortige Einweisung ins Krankenhaus erfordert hätte. Der behandelnde angestellte Arzt hat damit grob fahrlässig gehandelt.
Regressforderung durch Versicherer
Ergebnis: Der Berufshaftpflichtversicherer des niedergelassenen Arztes leistet eine Ausgleichszahlung an die Angehörigen. Da der angestellte Arzt in diesem Vertrag im Rahmen seiner persönlichen gesetzlichen Haftpflicht nicht mitversichert ist und auch keine eigene Berufshaftpflichtversicherung hat, kann der Versicherer des niedergelassenen Arztes ihn nach den Regeln des innerbetrieblichen Schadensausgleichs in Regress nehmen.
3. Fallbeispiel: unzureichende Befunderhebung bei der Wurzelbehandlung
Der Zahnarzt Dr. Kauer führt bei seiner Patientin Frau Meier an zwei Zähnen Wurzelbehandlungen durch und erneuert die Keramikfüllungen. Aufgrund von wiederkehrenden Schmerzen an einem Zahn muss die Wurzelbehandlung wiederholt und auch das Keramik-Inlay entfernt und neu eingesetzt werden. Kurze Zeit später erscheint Frau Meier erneut mit Schmerzen in der Praxis. Dr. Kauer verweist darauf, dass es sich um Anpassungs- und Übergangsschmerzen handele, die nach einer Keramikfüllung durchaus auftreten können. Da sich Frau Meier bei Dr. Kauer nicht mehr gut aufgehoben fühlt, geht sie zu einem Kollegen. Dieser muss die zwei entzündeten Zähne komplett entfernen und Implantate einsetzen. Umkehr der Beweislast
Zwar kann Dr. Kauer kein Behandlungsfehler bei der Wurzelbehandlung und Keramikfüllung nachgewiesen werden – das Gericht stellt jedoch fest, dass er auf die Schmerzen der Patientin nicht hinreichend reagiert habe, und nimmt eine Umkehr der Beweislast vor: Dr. Kauer muss beweisen, dass Frau Meier bei rechtzeitig erhobener Diagnose und Behandlung die zwei Zähne nicht verloren hätte. Berufshaftpflichtversicherung springt ein
Ergebnis: Dr. Kauer gelingt der Beweis nicht. Er muss für die Implantate und für die erlittenen Schmerzen haften. Glücklicherweise verfügt er über eine Berufshaftpflichtversicherung. Diese übernimmt die Prüfung des Falls inklusive des Schriftwechsels mit Patientin und Kasse sowie der Beauftragung eines Gutachters. Zudem zahlt sie die Laborkosten für die Neuanfertigung des ersten Implantats, die vollständigen Kosten des aufgrund der Parodontitis notwendigen zweiten Implantats sowie das Schmerzensgeld.
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So vermeiden Sie Schadensfälle
Behandlungs- und Aufklärungsfehler vermeiden
Viele Schadensfälle sind vermeidbar. Patrick Weidinger erläutert, wie es erst gar nicht zum Haftungsfall kommt, und gibt Tipps zur Patientenaufklärung.
Goldene Regeln für den Schadensfall
Schadensersatzforderungen können auf unterschiedlichen Wegen geltend gemacht werden. Patientinnen und Patient oder Tierbesitzerinnen und -besitzer können eine Entschädigungsforderung stellen oder um Einsicht in die Krankenakte bitten. Ärztinnen und Ärzte können ein Schreiben von einem beauftragten Rechtsanwaltsbüro, einer Schlichtungsstelle oder einer Krankenkasse erhalten. Es kann ein Mahnbescheid oder eine Klage zugestellt, sowie ein selbstständiges Beweisverfahren oder Strafverfahren eingeleitet werden. In allen Fällen heißt es vor allem, einen kühlen Kopf zu bewahren und einige wichtige Tipps zu beachten. Allgemein gilt:
- kein Haftungsanerkenntnis abgeben, sondern durch die Versicherung prüfen lassen, ob überhaupt eine Haftung besteht
- möglichst umgehend mit dem Berufshaftpflichtversicherer Kontakt aufnehmen
- gegen einen Mahnbescheid mit dem dort beigefügten Formular fristgemäß Widerspruch einlegen
- Bei Klagezustellung unbedingt die Gerichtsfristen beachten – ansonsten droht eine Verurteilung allein wegen Fristversäumnis.
Wenn es zum Strafverfahren kommt
Kein Schuldeingeständnis abgeben! Wer als „Beschuldigter“ befragt wird, sollte keine mündlichen Erklärungen zur Sache gegenüber der Polizei oder Staatsanwaltschaft abgeben. Wer als Zeuge befragt wird, kann von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen, wenn er sich selbst oder nahe Angehörige dadurch der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würde. Die Stellungnahme zum Sachverhalt sollte mit einem Rechtsanwalt besprochen werden. Der Berufshaftpflichtversicherer hilft bei der Auswahl der geeigneten Anwaltskanzlei. Werden Krankenunterlagen beschlagnahmt, sollten diese vor der Herausgabe an die Behörden unbedingt fotokopiert werden.
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