Patientenakten sicher führen
Die ärztliche Dokumentation ist eine Rechtspflicht. Aber nicht nur das: Beim Streit über Behandlungs- oder Aufklärungsfehler ist die Patientenakte oft von entscheidender Bedeutung. In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Anforderungen der Gesetzgeber an die Dokumentation stellt und was der Bundesgerichtshof von einer elektronischen Patientenakte technisch erwartet.
Arzt-Patienten-Kontakte und deren wesentlicher Inhalt sind zu dokumentieren. Das schreiben sowohl das Berufsrecht als auch das Patientenrechtegesetz (§ 630f BGB) vor.
Der richtige Umgang mit Patientenakten
Behandelnde sind verpflichtet, eine Patientenakte zu führen. Sie kann elektronisch oder in Papierform angelegt sein. In der Akte müssen sämtliche Ergebnisse und Maßnahmen festgehalten werden, die aus fachlicher Sicht wesentlich sind. Dazu gehören insbesondere Feststellungen zu Anamnese, Befund, Diagnose, Therapie sowie zur Patientenaufklärung. Auch Arztbriefe gehören in die Patientenakte. Zudem sollten ärztliche Anweisungen sowie eine fehlende Adhärenz des Patienten festgehalten werden. Achtung: Stehen medizinisch gebotene wesentliche Maßnahmen und ihr Ergebnis nicht in der Patientenakte, so wird vermutet, dass sie nicht getroffen wurden.
Grundsätzlich müssen nur die wesentlichen, für eine spätere ärztliche Beurteilung wichtigen Umstände aufgezeichnet werden. Weicht der Behandlungsablauf vom „Normalen“ ab, sind aber auch die Besonderheiten und das entsprechende Vorgehen zu dokumentieren. So hat es in einem Schadensfall nicht gereicht, dass im Entbindungsbericht stand: „Schulterdystokie, Entwicklung, Plexusparese“. Der medizinische Sachverständige vermisste eine genaue Situationsbeschreibung sowie die Beschreibung des gewählten medizinischen Manövers.
Die Patientenakte ist in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung zu führen. Auch wenn es keine Fristvorgaben gibt: Der Beweiswert der Aufzeichnung kann leiden, wenn der zeitliche Abstand so groß ist, dass Zweifel an der korrekten Erinnerung aufkommen. Goldstandard ist also die Dokumentation unmittelbar nach dem Arzt-Patienten-Kontakt.
Grundsätzlich müssen Ärztinnen und Ärzte die Patientenakte für die Dauer von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufbewahren. Andere Vorschriften können aber auch eine längere Aufbewahrung notwendig machen. So sieht zum Beispiel die Röntgenverordnung eine 30-jährige Aufbewahrungsfrist vor. Auch, wenn der gesundheitliche Zustand des Patienten oder ein laufender Rechtsstreit es erforderlich machen, ist eine mehr als zehnjährige Aufbewahrung angezeigt.
Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn der ursprüngliche Inhalt erkennbar bleibt und der neue Eintrag mit Datum versehen ist. Das gilt auch für die elektronische Patientenakte.
Die Software muss sicherstellen, dass im Falle einer nachträglichen Änderung der ursprüngliche Inhalt erhalten bleibt. In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (Az.: VI ZR 84/19) einer Patientenakte jeglichen Beweiswert abgesprochen, weil die Software diese Voraussetzung nicht erfüllt. Gestritten wurde darüber, ob eine Augenärztin die zur Erblindung führende Fehldiagnose Glaskörpertrübung wegen unterlassener Weitstellung der Pupille zu verantworten hat. Aus der elektronischen Dokumentation ergab sich zwar eine Weitstellung, der Patient behauptete aber das Gegenteil. Im Prozess zeigte sich, dass die Dokumentation jederzeit unbemerkt überschrieben werden konnte. Der Bundesgerichtshof sah darin keine Indizwirkung der Dokumentation, und zwar auch dann nicht, „wenn der Patient keine greifbaren Anhaltspunkte dafür darlegt, dass die Dokumentation nachträglich zu seinen Lasten geändert worden ist“.
Eine Dokumentationslücke als solche löst noch keine Haftung aus. Sie kann aber zu Schadenersatzansprüchen führen, wenn sie Defizite in der Weiterbehandlung verursacht. Das kann sogar in der eigenen Praxis passieren: In einem Fall war die Anamnese nicht vollständig dokumentiert und führte zu einer kontraindizierten Verordnung durch den Krankheitsvertreter des Praxisinhabers.
Behandelnde müssen beweisen, dass sie ihre Patienten aufgeklärt und die Einwilligung zu einer Maßnahme erhalten haben. Zur Dokumentation genügt der entsprechende Vermerk über Zeit, Ort, Teilnehmer und Gegenstand des Aufklärungsgesprächs. Bei invasiven Maßnahmen verwendete, individualisierte und vom Patienten unterschriebene Aufklärungsbögen sind als Gesprächsprotokoll der Patientenakte beizufügen. Besonderheiten wie die Übersetzung durch einen Dolmetscher müssen ebenfalls dokumentiert werden. Wichtig: Es genügt nicht, einen Aufklärungsvortrag zu halten und übersetzen zu lassen. Durch Rückfragen muss geklärt werden, ob die Informationen auch inhaltlich verstanden wurden.
Wie kann man sich nun merken, was notwendigerweise zu dokumentieren ist? Stellen Sie sich vor, Sie sollen sich in einem Sachverständigengutachten dazu äußern, ob ein ärztlicher Kollege lege artis behandelt hat. Welche Informationen würden Sie der Patientenakte dann gern entnehmen? Mit Ihrer Antwort beschreiben Sie, was aus fachmedizinischer Sicht relevant und festzuhalten ist.
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