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Berufshaftpflicht & Recht​

Arzthaftpflicht: Grobe Behandlungsfehler

3 Min.
Patrick Weidinger
von Patrick Weidinger
Rechtsanwalt, Spezialist Arzthaftpflicht

Der „grobe Fehler“ in den aka­de­mi­schen Heilberufen – was er ist, welche Rechts­folgen er hat und wie man ihn vermeidet.

Was sind grobe Behandlungsfehler?

Es war ein langer, anstrengender Tag in der Praxis von Allgemeinmediziner Dr. Hubert Granz*. Kurz vor Ende der Sprechstunde stellt sich noch eine Patientin vor: Maja Berndt* klagt über Schmerzen im Unterbauch und hat leichtes Fieber. Dr. Granz ist schon fast im Mantel, ein dringender privater Termin steht an. Nach einer oberflächlichen Untersuchung schickt er die Patientin mit der Empfehlung nach Hause, sich mit einer Wärmflasche ins Bett zu legen. In der folgenden Nacht wird Maja Berndt mit einem Blind­darm­durch­bruch ins Krankenhaus eingeliefert; eine le­bens­be­droh­li­che Bauch­fell­ent­zün­dung entwickelt sich. Nach ihrer Genesung verklagt sie Dr. Granz wegen eines groben Be­hand­lungs­feh­lers auf Scha­den­er­satz – und bekommt Recht. Ob Humanmedizin, Zahnmedizin oder in der Apotheke – der sogenannte „grobe Fehler“ spielt mittlerweile in all diesen Bereichen eine Rolle. Stellt ein Gericht einen groben Fehler fest, können Scha­den­er­satz­ansprüche leichter durchgesetzt werden. Der Begriff des groben Fehlers wurde von Gerichten zur Haftung von Ärztinnen und Ärzten sowie Zahnärztinnen und -ärzten entwickelt und findet sich heute im Patienten­rechte­gesetz. Er bezeichnet ein nicht mehr verständliches Fehl­ver­halten, das einem Mediziner oder einer Medizinerin „schlechterdings nicht unterlaufen darf“ (BGH VersR 2012, 227). Liegt ein grober Fehler vor, muss die geschädigte Person nicht mehr wie üblich nachweisen, dass ein Be­hand­lungs­feh­ler für den Schaden ursächlich ist. Bei einem groben Be­hand­lungs­feh­ler, der eine bestimmte Folge möglich erscheinen lässt, wird der Ur­sachen­zu­sammenhang zwischen Fehler und Schaden vermutet. § 630h BGB formuliert das so: „Liegt ein grober Be­handl­ungs­feh­ler vor und ist dieser grund­sätz­lich geeignet, eine Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, wird vermutet, dass der Behandlungr für diese Verletzung ursächlich war.“
*Namen geändert

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Beispiele für den „groben Be­hand­lungs­feh­ler“

Fälle eines „fundamentalen und nicht nach­voll­zieh­baren Regel­ver­stoßes“ sind leider nicht so selten, wie man meinen könnte. Hier einige Fälle aus dem Scha­den­port­fo­lio der Deutschen Ärzteversicherung. Humanmedizin

  • Keine weitergehende Diagnostik trotz Anzeichen einer -Darm­lähmung
  • Unterlassen einer Augen­hintergrund­untersuchung trotz -Symptomen einer Netzhaut­ablösung
  • Unterlassen einer Kran­ken­haus­ein­wei­sung trotz frischem Infarkt
  • Übersehen einer offen­sicht­lichen Frak­tur­linie im Röntgenbild
  • Entbindung ohne indiziertes CTG
  • Unterlassen der histo­logisch­en Be­fundung entfernten Gewebes
  • Kein Hinweis auf die dringend erforderliche Diagnostik bei -blutender Mamille
  • Verwechslung von Putzmittel mit Wund­des­infektions­mittel
  • Auf­zeichnungs­lücke im CTG durch Herz­schlag­ver­wechslung mit der Mutter
  • Außerachtlassen der üblichen Hygiene­standards bei intra­artikulärer Injektion

Zahnmedizin

  • Überschreiten der üblichen Behand­lungs­dauer für die -Gerüsteinprobe einer Brücke um das Sechs­fache
  • Freiliegen­lassen beschliffener Zahn­substanz
  • Einbringen eines Implantats, obwohl wegen unbehandelten Knochen­abbaus kein genügender Halt möglich war
  • Abrutschen mit dem Bohrer in den Zungen­grund
  • Verwechseln des zu extrahierenden Zahnes

Apotheken

Da in Apotheken keine Patienten behandelt werden, mag die Diskussion des „groben Fehlers“ hier verwundern. Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 7.8.2013, Az. 5 U 92/12) ist diesen Schritt aber gegangen: Ein sieben­jähriger Junge mit Downsyndrom und Herzfehler sollte drei Monate nach der Geburt am Herzen operiert werden. Bis dahin verordnete der Kardiologe digitalishaltige Medikamente, allerdings versehentlich in achtfach über­höhter Dosierung. Der Apotheker übersah diesen Fehler und gab das Medikament gemäß Verordnung ab. Das OLG verurteilte sowohl den Arzt als auch den Apotheker. Dass der Apotheker das Rezept trotz des Wirkstoffs nicht besonders sorgfältig geprüft habe, sei ein grober Fehler, wie er „einem Apotheker schlechter­dings nicht unterlaufen“ dürfe. Damit haftete er – neben dem Arzt – für den zeitweiligen Herzstillstand und einen zusätzlichen Entwicklungsrückstand. 

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