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Vorsorge & Vermögen

„Diversifizieren ist wichtiger denn je“

5 Min.

Welche Konsequenzen haben Inflation und hohe Zinsen für langfristige Kapital­anlagen? Finanzexperte Alexander Chamier spricht im Interview über Hintergründe und neue Anlage­strategien. 

Entwicklung der Inflation

Herr Chamier, die Inflation ist nach vielen Jahren in Deutschland. Das beunruhigt viele Menschen, auch mit Blick auf die Alters­vorsorge. Wird sich die Entwicklung nach oben fortsetzen?Ich gehe davon aus, dass wir das Schlimmste hinter uns haben. Die Gesamtinflationsrate hat – natürlich auf hohem Niveau – schon nachgelassen, und diese Entwicklung dürfte zunächst weitergehen. Auch, weil der Energiepreis nicht mehr als Inflationstreiber wirkt. Etwas anders sieht es bei der Inflationskernrate aus, bei der die Energie- und Nahrungsmittelpreise herausgerechnet werden. Sie ist im letzten Jahr auch stark angestiegen, und dort sehen wir bisher noch keine Anzeichen für ein Nachlassen. Das ist aber ein ganz normaler Verlauf. Wenn wir auf die letzten zwei Inflationszyklen schauen, zeigt sich, dass die Gesamtinflationsrate immer ein paar Monate vor der Kernrate nachlässt. Mittelfristig können wir also wieder mit einem normalen Inflations­niveau rechnen?Das halte ich für sehr wahrscheinlich. Wobei man sagen muss, dass große strukturelle Themen wie der demografische Wandel, der Klimaschutz und die Deglobalisierung langfristig eher für eine etwas höhere Inflation sorgen werden. Da geht es aber nicht um 4 bis 5 Prozent, sondern eher um 2 bis 2,5. Das ist ein normales Niveau, auch wenn es über dem liegt, was wir im letzten Jahrzehnt gewöhnt waren. Gerade in der Eurozone war die Inflationsrate lange unterdurchschnittlich. Warum ist die Inflation so explodiert?Es gab eine Reihe von Sondereffekten, die sehr ungünstig zusammengespielt haben. Erstens die Coronapandemie, die die Lieferketten unglaublich gestört und verzerrt hat. Das hat zu einer Knappheit an Gütern geführt und die Preise in die Höhe getrieben. Der zweite Sondereffekt war der Ausbruch des Ukrainekriegs und der daraus folgende Energiepreisschock. Zu guter Letzt kam noch der Mangel an Arbeitskräften hinzu. Das hat vor allem in den USA die Löhne steigen lassen und auch weltweit die Inflation befeuert.

Entwicklung der Inflation
Alexander Chamier (CFA) ist stellvertretender Direktor Portfoliomanagement bei der Apo Asset Management GmbH in Düsseldorf

Altersvorsorge mit Aktien?

Welche Auswirkungen hatte das auf die Kapital­märkte?Wir haben einen historischen Anleihecrash gesehen. Er ist die Kehrseite des Zinsanstiegs, mit dem die Inflation eingedämmt werden soll. Wenn die Zinsen steigen, müssen die Kurse der Anleihen fallen. Und die Zinsen sind explosions­artig gestiegen! Bei zehnjährigen Bundesanleihen lagen sie Ende 2021 zum Beispiel noch bei –0,5 Prozent und sind dann innerhalb von einem Jahr auf 2,5 Prozent gestiegen. In den USA stiegen die Zinsen für eine zweijährige Staatsanleihe im gleichen Zeitraum sogar von 0,25 auf 4,5 Prozent. Solche Sprünge gab es zuletzt vor rund 50 Jahren. Gelitten haben auch die Aktien, richtig? Ja, wir haben ein schwieriges Aktienjahr 2022 gehabt. Im Vergleich zum Anleihenmarkt gab es dort zwar nur eine moderate Korrektur. Ungewöhnlich war aber, dass Aktien- und Anleihenkurse gleichzeitig gefallen sind. Das hat die Kapitalanlage nicht leichter gemacht. Nun wurden gerade Aktien lange für die Alters­vorsorge empfohlen. Lässt sich diese Empfehlung noch halten?Auf jeden Fall. Aktien versprechen gerade bei einem langen Anlagehorizont weiterhin sehr gute Renditen. Besonders interessant sind Gesundheits­aktien, weil Unternehmen in diesem Sektor stärker wachsende Gewinne haben als am breiten Markt. Außerdem sind sie relativ konjunktur­unabhängig. Die Weltgesundheitsorganisation prognostiziert sechs Prozent jährliches Wachstum am Gesundheitsmarkt über viele Jahre hinweg. Was man aber auch sagen muss: Lange waren Aktien alternativlos, weil es am Zinsmarkt keine attraktiven Anlage­möglichkeiten gab. Das hat sich nun deutlich geändert. Gerade weil der Anleihenmarkt im letzten Jahr eingebrochen ist, bieten sich für Anlegerinnen und Anleger dort nun günstige Einstiegs­chancen und dank hoher Zinsen sehr gute Renditeaussichten.

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Sichere Mischung

Eine zukunfts­sichere Alters­vorsorge sollte folgende Bausteine umfassen:

Renten­versicherung: Sie ist die Basis der Altersvorsorge und sollte hoch genug sein, um den gewohnten Lebens­standard im Alter zu halten. Größter Vorteil der Versicherung: Sie wird bis zum Lebensende ausgezahlt. Kapital­anlagen: Aktien und Anleihen ergänzen die Renten­versicherung und eröffnen finanzielle Freiräume. Immobilien: Ein Eigenheim oder eine vermietete Immobilie schaffen zusätzliche Sicherheit.

Oft liegen die Zinsen für Anleihen aber noch unter der Inflation­srate. Verliere ich dadurch nicht Geld?Viele Menschen denken: „Wenn ich jetzt 3 Prozent Zinsen bekomme und die Inflation bei 10 Prozent liegt, verliere ich 7 Prozent“. Das stimmt so aber nicht. Es ist zwar richtig, auf den Realzins zu achten. Aber wenn ich zum Beispiel eine zehnjährige Anleihe kaufe, ist die aktuelle Inflations­rate nicht sehr relevant. Ich bekomme über die gesamte Laufzeit jedes Jahr 3 Prozent Zinsen. Und da die Inflations­erwartung für die nächsten Jahre bei etwa 2,5 Prozent liegt, ergibt sich insgesamt eine positive Realrendite. Zusammen­fassend gesagt: Was raten Sie Menschen, die im aktuellen Umfeld langfristig investieren möchten?Wenn es um langfristige Anlageziele wie die Altersvorsorge geht, ist diversifizieren wichtiger denn je. Aktien sind auf jeden Fall sinnvoll, weil ihre Risiko­prämie sich auf lange Sicht immer ausgezahlt hat. Anleihen gehören als Puffer unbedingt mit ins Portfolio. Und die Basis für einen guten Alters­vorsorgemix stellt eine solide Rentenversicherung dar.

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