Heilmittel Ernährung
Das Immunsystem von Ärztinnen und Ärzten ist besonders gefordert. Wie gute Ernährung gegen Viren und Stress hilft, erklärt Dr. Silja Schäfer. Mit der NDR–Sendung „Die Ernährungs-Docs“ erreicht die langjährige Kundin der Deutschen Ärzte Finanz ein Millionenpublikum.
„Viele Krankheiten sind ernährungsbedingt“
Frau Dr. Schäfer, wir alle essen jeden Tag und sollten daher eigentlich alle längst Expertinnen und Experten in Ernährungsfragen sein. Aber das Gegenteil ist der Fall: Es gibt wohl kaum einen Bereich, in dem mehr Unsicherheit herrscht. Können Sie sich das erklären?
Es gibt keine geschützte Berufsbezeichnung für Ernährungsexpertinnen und -experten. Jeder darf sich so nennen und die eigene Meinung zu diesem Thema verbreiten. Oftmals fehlt es dann an Kompetenz, gute von schlechten Ernährungstipps zu unterscheiden. Glücklicherweise gibt es für Medizinerinnen und Mediziner inzwischen die Zusatzbezeichnung des Ernährungsmediziners, die belegt, dass hinter den Aussagen wissenschaftliche Erkenntnisse stehen.
Die Fernsehsendung „Die ErnährungsDocs“, an der Sie mitwirken, erreicht seit Jahren ein breites Publikum. Erkennen Sie einen allgemeinen Trend in Richtung gesundheitsbewusster Ernährung? Allgemein auf jeden Fall, unter uns Ärztinnen und Ärzten vielleicht noch nicht ganz. In den großen Industrieländern sind ein Großteil der Erkrankungen lebensstilbedingt und die Ernährung spielt dabei eine zentrale Rolle. Spätestens nach einer Krankheit fangen viele Menschen an, ihr Essverhalten zu reflektieren. In unserer TV-Sendung zeigen wir anhand positiver Beispiele, was allein mit gesundem und ausgewogenem Essen möglich ist. Das motiviert auch meine Patientinnen und Patienten, die mich immer wieder nach Ernährungstipps fragen, um ihre Gesundheit zu verbessern.
Hat die Ernährungsmedizin einen ausreichenden Stellenwert? Natürlich nicht (lacht). Lange Zeit war die Ernährungsmedizin ein Stiefkind der Medizin, zu meiner Studienzeit wurde sie gar nicht thematisiert. Mittlerweile fordern einige Studierende, dass auch Inhalte der Ernährungsmedizin in der Uni vermittelt werden. Seit zwei Jahren gibt es außerdem eine Weiterbildung für diesen Bereich. Und es erscheinen immer mehr Studien, die zeigen, wie eng Ernährung und Gesundheit zusammenhängen. Es bewegt sich etwas, aber das ist noch nicht annähernd genug.
Dr. Silja Schäfer
Die Fachärztin mit dem Schwerpunkt Ernährungsmedizin tritt seit 2019 in der NDR–Sendung „Die Ernährungs-Docs“ auf. Neben ihrer TV-Tätigkeit führt die gebürtige Bayerin eine eigene Hausarztpraxis in Kiel.
Ernährung in der Medizin
Wie können Ärztinnen und Ärzte den Bereich stärker in ihre Behandlung einbeziehen? Der Zusammenhang zwischen unseren Essgewohnheiten und unserem Gesundheitszustand wurde durch die Erkenntnisse der letzten Jahre bestätigt. Das bedeutet nicht, dass alle Medizinerinnen und Mediziner auch Ernährungsberater sein müssen. Aber es ist wichtig, Informationen bereitzustellen. Viele Patientinnen und Patienten wissen nicht einmal, dass die Krankenkassen viele Leistungen im Bereich Ernährung unterstützen. Ich arbeite beispielsweise mit Ökotrophologinnen und Diätassistentinnen zusammen und empfehle dann gemeinsam mit ihnen weitere Schritte für meine Patientinnen und Patienten.
Wie genau fördert gesundes Essen die Gesundheit, die körperliche Fitness und das allgemeine Wohlbefinden?
Dabei sind vor allem zwei Elemente von Bedeutung. Das eine ist das Darmmikrobiom: Diese Gemeinschaft von Mikroorganismen in unserem Darm beeinflusst viele Krankheiten. Das andere ist die sogenannte Silent Inflammation: Viele Erkrankungen beruhen auf stummen Entzündungsprozessen. Diese beiden Elemente lassen sich über die Ernährung in Einklang bringen. Sie kann das Darmmikrobiom stärken, in dem etwa 80 Prozent unseres Immunsystems sitzen. Da von dort die meisten Entzündungsreaktionen ausgehen, lässt sich über eine vernünftige Ernährung die Basis für körperliche Fitness und Gesundheit schaffen. Wir kennen mittlerweile auch die Darm-Lungen-Achse, die Darm-Leber-Achse und sogar die Darm-Hirn-Achse. Das bedeutet, der Darm hat auf all diese Organe einen direkten Effekt.
Abgesehen davon benötigt unser Körper für all seine Aktivitäten Eiweiß, Kohlenhydrate, Fette und bestimmte Mikronährstoffe, sonst funktioniert er nicht richtig. Mit den richtigen Nahrungsmitteln halten wir die Stoffwechselprozesse in den einzelnen Zellen am Laufen.
Ernährung im ärztlichen Alltag
Vor allem Ärztinnen und Ärzte sind im Alltag viel Stress ausgesetzt. Wie kann eine gute Ernährung helfen, anstrengende Phasen gut zu überstehen? Wir wissen, dass chronischer Stress durch die Ausschüttung von Cortisol eine schädliche Wirkung auf den Körper hat. Wenn ich dem Körper dann nicht genügend Nährstoffe zuführe, klappt er schneller zusammen. Eine gute Ernährung ist daher gerade in stressigen Situationen ungemein wichtig. Dazu gehört auch, ausreichend Wasser zu trinken, das fördert zum Beispiel die Konzentration. Das Gleiche gilt für Gemüse und Obst. Wenn ich dem Körper gute Nährstoffe gebe, lässt sich ein hohes Stresslevel viel länger aushalten. Gibt es Lebensmittel oder Nährstoffe, die Menschen meiden sollten, wenn sie gestresst sind? Absolut! Auf Fertigprodukte sollte man in Stressphasen verzichten. Sie enthalten in der Regel zu viel Zucker und Salz, und das braucht der Körper in diesen Momenten überhaupt nicht. Energydrinks sind ebenso schädlich. Der kurze Schub ist schnell wieder vorbei und danach geht es einem schlechter als vorher. Auch von vermeintlich gesunden Smoothies ist abzuraten, da sie extrem viel Fruchtzucker enthalten.
Welche Rolle spielt die Darmgesundheit bei der Stärkung des Immunsystems und wie kann die Ernährung dabei unterstützen?
Das bereits erwähnte Darmmikrobiom spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Darmbakterien bilden eine wichtige Schutzschicht und je vielfältiger diese Bakterien vorhanden sind, desto besser ist es für das Immunsystem. Süßstoffe beispielsweise verringern die Vielfalt der Darmbakterien, greifen die Darmschleimhaut an und machen den Körper somit angreifbarer für Krankheiten, weil Giftstoffe schneller in der Blutbahn landen. Das Gleiche gilt für Fertigprodukte oder Transfettsäuren.
Alle, die in Kliniken, Praxen und Apotheken arbeiten, kommen häufig mit Viren in Kontakt. Was kann bei der Abwehr helfen?
Hier empfehle ich das Wassertrinken. Viele Viruserkrankungen dringen über den Mund- und Rachenraum in den Körper ein. Mit viel Wasser werden diese, bildlich gesprochen, weggespült. Außerdem sollten sich Betroffene die Zeit nehmen, eine große Portion Obst und Gemüse mundgerecht vorzuschneiden und auf der Arbeit immer griffbereit dabeizuhaben. Denn wir wissen, dass Vitamin C gerade in Infektzeiten hilfreich ist, aber es wird schnell vom Körper verarbeitet und muss regelmäßig nachgefüllt werden. Auch Präbiotika, die durch ballaststoffreiche Nahrung aufgenommen werden, sowie Probiotika, die in fermentierten Produkten wie Quark oder Joghurt enthalten sind, stärken die Darmflora zusätzlich.
Buchtipp
Ärzte brauchen starke Abwehrkräfte
Ärztinnen und Ärzte brauchen starke Abwehrkräfte: Gesunde Rezeptideen liefern „Die Ernährungs-Docs – So stärken Sie Ihr Immunsystem“ und „Mein grünes Familienkochbuch“ von Dr. Silja Schäfer, erschienen im ZS Verlag.
Was Ärzte an ausgewogener Ernährung hindert
30 Prozent der Berufsunfähigkeitsfälle unter akademischen Heilberufen sind auf Krebserkrankungen zurückzuführen. Wie weit ist die Forschung in der Ernährungsmedizin hinsichtlich Krebsprävention?
Noch ganz am Anfang. Es gibt nicht die Anti-Krebs-Diät. Aber wir wissen, dass Adipositas dessen Entstehung fördert. Das bedeutet, um Krebs präventiv anzugehen, müssen wir Übergewicht vermeiden, dann würden auch Tumorerkrankungen zurückgehen. Was außerdem vorbeugen kann, ist das Heilfasten. Krebs entsteht, wenn eine Zelle sich falsch teilt. Diesen Prozess können wir durch das Fasten unterbrechen, weil es die Ausscheidung kaputter Zellen fördert.
Warum fällt es Ärztinnen und Ärzten manchmal schwer, sich ausgewogen zu ernähren? Welche Strategien können dabei helfen?
Die größten Probleme sind sicherlich Zeitmangel und Stress. Auch ich greife an einem stressigen Tag bei akutem Zuckermangel schon mal zu Süßigkeiten. Was helfen kann, ist ein Essensplan für die Woche, also das sogenannte Meal Prepping. Man kann schon am Wochenende für die Woche vorkochen. Besonders Eintöpfe, Suppen oder Salate lassen sich einfach für die nächsten Tage vorbereiten und leicht verpackt mitnehmen. So greift man im Stress nicht zu ungesundem Essen.
Inwiefern hängt regelmäßige Bewegung mit der Ernährung zusammen?
Diese Frage führt uns wieder zum Darm. Bei Bewegungsmangel kann der Darm die Nährstoffe aus dem Essen nicht gut aufnehmen, körperliche Aktivität unterstützt die Nährstoffaufnahme. Wenn der Darm gut arbeitet, laufen die Stoffwechselprozesse besser. Wir wissen außerdem, dass bei regelmäßiger Bewegung Myokine ausgeschüttet werden, die die Gesundheit fördern.
Muss man gut kochen können, um sich gesund zu ernähren?
Nein, auf gar keinen Fall. Ich wünsche mir, dass Menschen einen eher spielerischen Umgang mit Nahrungsmitteln entwickeln und einfach ausprobieren, ohne sich streng an Rezepte zu halten. Es reicht zum Beispiel, Gemüse zu schneiden, etwas Olivenöl und Fetakäse darüber zu verteilen und in den Backofen zu schieben. Fertig!
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