Warum eine Haftpflicht im PJ sinnvoll ist
Im Praktischen Jahr des Medizinstudiums lernen Studierende den Klinikalltag auf verschiedenen Stationen kennen. Sie versorgen Wunden, wechseln Katheter oder verabreichen Injektionen. Während der praktischen Ausbildung an Patientinnen und Patienten übernehmen Medizinstudierende also verantwortungsvolle Aufgaben. Doch wer haftet, wenn sie einen Fehler machen? Rechtsanwalt und Haftpflichtspezialist Patrick Weidinger erklärt, worauf Medizinstudierende im PJ achten müssen – und welche rechtlichen Konsequenzen im Schadensfall drohen.
Auch PJler sind haftbar
Herr Weidinger, viele Studierende im Praktischen Jahr ihres Medizinstudiums sind der Ansicht, dass sie während der Ausbildung Patientinnen und Patienten gegenüber nicht haften. Ist das richtig? Das ist leider ein Irrtum. Jeder – Sie, ich, ein Arzt und eben auch ein Studierender im PJ – haftet einem Geschädigten gegenüber persönlich für Schäden, die er diesem zugefügt hat. Deshalb wird in Haftungsprozessen auch immer der PJler mitverklagt, wenn ihm etwas vorzuwerfen ist. Spielt es keine Rolle, dass der PJler an die Weisungen seiner Vorgesetzten gebunden ist? Im Verhältnis zum Patienten jedenfalls dann nicht, wenn der PJler einen Fehler gemacht hat. Dem Geschädigten ist es egal, welche Zuständigkeiten jemand besitzt. Im Falle einer schuldhaften Schädigung möchte er Schadenersatz erhalten. Genau so sieht es das Bürgerliche Gesetzbuch auch vor. Können Sie einen Beispielfall nennen? Vor einigen Jahren verhandelte das Landgericht Mainz einen Fall, in den eine PJlerin involviert war. Die Studentin hatte einer Patientin postoperativ Propofol aus einer nicht gekennzeichneten Flasche verabreicht. Daraufhin fiel die Frau ins Koma. Das Gericht verurteilte die PJlerin neben anderen Beteiligten zu mehreren Hunderttausend Euro Schadenersatz. Was wurde der Studentin vorgeworfen? Genau das, was typischerweise zu Haftungssituationen führt: das Handeln auf eigene Faust. PJler sind Auszubildende, die nur auf Anweisung handeln dürfen und bei geringstem Zweifel nachfragen müssen. Im vorliegenden Fall hatte die Studentin aus der Dokumentation „Infusionsrest auch OP“ geschlossen, dass eine im OP verbliebene Flasche zum erneuten Infundieren der Patientin genutzt werden sollte. Im Tropf befand sich jedoch noch Propofol, was einen Atem- und Kreislaufstillstand hervorrief. Es gelang dem Notarzt, die Patientin zu reanimieren, seither befindet sie sich aber im Wachkoma.
Patrick Weidinger
Er ist Rechtsanwalt der Deutschen Ärzteversicherung, Dozent der Deutschen Anwaltakademie und der Deutschen Versicherungsakademie sowie Lehrbeauftragter der Europäischen Fachhochschule.
PJler können den Patientinnen und Patienten also auf Schadenersatz, das heißt auf finanzielle Wiedergutmachung haften. Können Studierende auch strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden?
Natürlich. Im Strafrecht gibt es die Tatbestände der fahrlässigen Körperverletzung und der fahrlässigen Tötung. Und die gelten grundsätzlich für jeden. So hat das Landgericht Bielefeld im Jahr 2013 einen PJler wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Er hatte einem Säugling ein oral zu gebendes Medikament venös verabreicht.
Wie können sich Medizinstudierende gegen Schadenersatzansprüche oder Strafverfahren schützen?
An allererster Stelle sollten Studierende natürlich Sorge tragen, dass erst gar nichts passiert. Dazu gehört, dass PJler aktiv eine ausreichende Einarbeitung und Ausbildung einfordern und bei allen Unklarheiten sofort nachfragen. Außerdem müssen immer die Namen der erreichbaren Ansprechpartner erfragt und Informationen über das Notfallprozedere eingeholt werden. Besonders wichtig ist es auch, zu verinnerlichen, dass man als Studierender nicht behandeln darf. Handlungsanweisungen müssen genauestens abgesprochen werden. Ahnt der PJler, dass ihn ein Auftrag überfordert, sollte er dies zur Sprache bringen und die Ausführung gegebenenfalls ablehnen. Sehr wichtig ist es auch, so viel wie möglich zu dokumentieren. Jüngst hatte ich einen Fall, in welchem eine PJlerin eine Wundspülung vornahm und später alle Beteiligten bestritten, ihr diesen Auftrag erteilt zu haben.
Tipp
Studierende: Haftungsrisiken rechtzeitig absichern
Eine Berufs- und Privathaftpflicht ist schon in den vorklinischen und klinischen Semestern unerlässlich. Damit sichern sich Medizinstudierende und PJler gegen alle Haftungsrisiken ab. Denn auch sie behandeln Patienten – und ein Fehler kann teuer werden.
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Und wie kann sich ein Studierender im PJ versicherungstechnisch schützen?
Also, ich persönlich würde ja immer eine PJ-Haftpflicht abschließen. Dann brauche ich mir nämlich keinen Kopf zu machen und bin stets auf der sicheren Seite. Ansonsten kann man auch prüfen, ob und inwieweit man über das ausbildende Haus versichert ist, insbesondere für Fälle des Zivil- und des Strafrechts und mit einer Versicherungssumme von 5 Millionen Euro. Es ist empfehlenswert, sich eine solche Versicherung von der Ausbildungsanstalt schriftlich bestätigen zu lassen. Fehlt ein notwendiges Versicherungselement – und das muss man natürlich prüfen oder prüfen lassen – ist eine spezielle PJ-Haftpflichtversicherung sinnvoll. Sie bietet Schutz, wenn keine Betriebshaftpflichtversicherung des Lehrkrankenhauses besteht, ein Wechsel des Lehrkrankenhauses zu einem Versicherungswegfall führt oder ein Strafverfahren eingeleitet wird. Auch wenn die Schadenbearbeitung durch auf Arzthaftpflicht spezialisierte Juristen des Versicherers erfolgen soll, empfiehlt sich eine PJ-Haftpflicht. Denn hierauf besteht bei einer normalen Privathaftpflichtversicherung – etwa wenn der PJler noch bei den Eltern mitversichert ist – in der Regel kein Anspruch.
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